Europäisches Patentrecht (EPÜ)
Bitte sehen Sie sich unser Einführungsvideo zum Thema „Patentierung von innovativen Softwarelösungen“ an:
Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) definiert die Patentierbarkeitskriterien für Erfindungen dahingehend, dass diese neu sein müssen, einen erfinderischen Schritt aufweisen und gewerblich anwendbar sein müssen. Art. 52 (2) EPÜ beinhaltet auch eine Liste von Gegenständen, die von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Unter diesen Ausnahmen befinden sich Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen, allerdings nur insoweit, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht.
Die Beschwerdekammern des europäischen Patentamts (EPA) haben über die letzten Jahre konsistente Rechtsprechung generiert, wobei „als solche“ im Wesentlichen bedeutet, dass dem beanspruchten Gegenstand „kein technischer Charakter“ zugestanden werden kann. D.h., sofern eine Erfindung technischen Charakter besitzt, ist Patentschutz auch für die in Art 52 (2) EPÜ ausgenommenen Gegenstände möglich, wie z.B. Computerprogramme oder Geschäftsmethoden.
Das EPA hat in konsistenter Art und Weise den technischen Charakter schon immer als ein essentielles Erfordernis für die Patentierbarkeit einer Erfindung erachtet. Ein technisches Problem muss dabei durch technische Merkmale gelöst werden, welche einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefern. Der technische Charakter einer Erfindung kann beispielsweise begründet werden durch:
- einen weiteren technischen Effekt, der über die normalen technischen Effekte hinausgeht, welche immer vorhanden sind, wenn ein Programm in einem Computer abläuft
- technische Überlegungen die sich im beanspruchten Gegenstand wiederfinden
- anscheinend nicht-technische Aspekte, die aber in der Lage sind, eine Veränderung in der Natur oder der technischen Wirkungsweise der klar technischen Aspekte hervorzurufen
- kognitiven/informativen Inhalt von Information die an einen Beobachter gerichtet ist, wobei dieser Inhalt die technische Wirkungsweise eines Verfahrens oder eines Systems, welches von dem Inhalt Gebrauch macht, entsprechend beeinflusst
1998 konnte IBM zum ersten Mal ein Patent auf ein Computerprogrammprodukt erstreiten. Seither wurden durch das EPA eine Vielzahl von Patenten für computerimplementierte Erfindungen erteilt, die Softwareinnovationen schützen.
Eine richtungsweisende Entscheidung der Beschwerdekammern in Bezug auf die Schwelle für die erfinderische Tätigkeit bei computerimplementierten Erfindungen war die COMVIK/Simcard Entscheidung aus dem Jahre 2002. Die Quintessenz dieser Entscheidung ist, dass nicht-technische Merkmale in einem Patentanspruch nicht zur erfinderischen Tätigkeit der Erfindung beitragen können. D.h., obwohl eine Softwareerfindung nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, wenn sie mindestens ein technisches Merkmal im Anspruch beinhaltet, so müssen doch die Merkmale, die die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik unterscheiden, einen technischen Charakter aufweisen, um den Erfordernissen des EPÜ an die erfinderische Tätigkeit zu genügen.
Diese Herangehensweise wurde auch in der noch jungen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (opinion G 0003/08 vom 12.5.2010) bestätigt. Dadurch besteht in Europa derzeit ein hohes Maß an Rechtssicherheit was die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen anbelangt.